4 Sterne für ein fachlich sehr gutes Buch, (dass gestalterisch nicht überzeugen konnte.)
Rezension von Stefan Wichmann über den Titel »Schrift. Wahl und Mischung«
Redaktioneller Hinweis: Das Buch wurde mir kostenlos zur Verfügung gestellt.
Buchbeschreibung:
In sehr großer Schrift führt der Klappentext zur Frage aus, welche Schrift die Richtige für ein Projekte sein möge und was eine Schrift mitbringen müsste. Etwas kleiner werden die Autoren vorgestellt. Die Haptik des Buches ungewöhnlich, wobei die Schwere durch das große Format bedingt ist und beim Aufklappen große Weißflächen auffallen.
Meine Meinung
Das Cover ist veredelt, mit gelber gut lesbarer Schrift die leicht nach links aufstrebt. Die Haptik ist gut und außergewöhnlich.
Allein das Register besteht aus mehreren Abschnitten. 16 Seiten (vollständige 8 Blatt) nehmen das Stichwortverzeichnis auf, 12 Seiten die Angaben zur Schrift und 8 Seiten den Bildnachweis. Zum Inhalt und zur Gestaltung ist vieles anzuführen.
Enthalten sind Fachbegriffe, die entweder erläutert werden oder sich aus dem Inhalt erschließen, auch wenn aus meiner Sicht »specimens« auch gleich mit dem Wort »Probe« beschrieben werden könnte. Dies mag ein wichtiger Fachbegriff sein, der jedoch für Einsteiger eher Fragen aufwirft. Ebenso verhält es sich mit weiteren Kleinigkeiten. Beispielsweise wird zwar das Thema Barrierefreiheit angerissen, jedoch finde ich persönlich die Definition nicht ausreichend gefasst.
Barrierefrei heißt meines Erachtens und im Zusammenhang mit Schrift und somit mit Texten, dass diese derart gestaltet werden, dass sie für alle ohne fremde Hilfe zugänglich sind. Da viele Überschriften in gelb auf hellem Grund und somit kaum lesbar dargestellt sind, sehe ich hier einen Schwachpunkt. Ebenso führten unscharfe, weichgezeichnete Beispiele wie auf Seite 140 zur Frage, warum diese Darstellung gewählt wurde. Hellgraue Schrift auf weißem Grund wie auf Seite 179 fiel eher negativ auf. Und da das Thema »Barrierefreiheit auf »Leichte Sprache« verweist, war für mich z.B. das Wort »verunklärt« unpassend.
Auch irritieren wechselnde Schriftgrößen, wie beispielsweise auf Seite 128 oder Seite 328. So ist im Fließtext ein Literaturhinweis eingefügt, der durch einen Absatz vom eigentlichen Fachtext abgetrennt ist und den Lesefluss stört. Anzumerken auch die Kapiteleinleitungen, die den Eindruck hinterlassen, das Buch ist für Seheingeschränkte geschrieben, während der Fachtext dann wieder in sehr viel kleinerer (üblicher) Schrift gesetzt ist und unterbrochen wird von extrem großen Lettern wie auf Seite 348, die das Auge eher ablenken, denn führen. Hier sei auch der eklatante Schriftgrößenunterschied bei der fachlich gut aufbereiteten »Anatomie der Buchstaben« im Anhang genannt.
Seite 182 zeigt ein Beispiel der Titelseiten der Times von 1932 vor und nach einem Redesign und ließ mich als Rezensent etwas ratlos zurück: Eine Doppelseite mit kleinem Nutzen, wobei ich dann doch zurückblätterte auf Seite 178 und am Überlegen war, ob diese platzraubende Darstellung wirklich notwendig ist, um das Gespür des Lesers für Schrift zu schärfen oder ob es besser wäre weniger Seiten mit kleineren Beispielen, weniger weißen Flächen und somit weniger Gewicht und Produktionskosten auf den Markt zu bringen.
Doch damit schon genug der negativen Eindrücke in der Darstellung, denn das Buch erläutert sehr gut und ausführlich sogar mögliche Fallstricke lizenzrechtlicher Art, mögliche Gefahren beim Einsatz kostenloser Fonts und geht sogar der Frage nach, ob es ethisch vertretbar ist, die Schriftfamilie eines Verbrechers zu nutzen und wie mit diesem Thema in der Vergangenheit umgegangen wurde. Auf der anderen Seite werden die »Spätfolgen« eines Freefonts nur angedeutet aber nicht ausgeführt, doch das Buch handelt ja auch von Schrift, der Auswahl und professioneller Mischung. An dieser Stelle ist der Überlegung nachzugehen, wann welche Schrift einzusetzen ist. Betrachtet wird Typografie und somit werden Grundlagen geschaffen, um nicht blind Vorgaben zu folgen, sondern selbst werten und bewerten zu können. Welchen Charakter sollte eine Schrift im jeweiligen Einsatz haben? Wie sollten Schriften kombiniert werden in verschiedenen Kontexten? So hilft das Buch fachlich. Sei es durch Tabellen, die Einsatzmöglichkeiten, Schriftkompositionen und vieles mehr aufzeigen.
Ebook und Print
Das Werk wird als Printbuch und eBook, allerdings dann lediglich als PDF-Datei angeboten und das aus gutem Grund! Schließlich werden auch viele Bilder dargestellt, Grafiken und Schriftzüge. Dies umzusetzen würde wohl ein eBook im Format ePub2 überfordern und das Format ePub3 bedingen, was jedoch nicht von allen eBookreadern unterstützt wird.
Grafiken, wie zur Stilgeschichte, sind in einem gedruckten Buch sicherlich leichter zu erfassen, auch sei auf so manches Beispiel verwiesen, wie auf Seite 136, wo meines Erachtens die Darstellung auf einer Doppelseite für ein gedrucktes Buch optimiert ist, aber unerklärlicherweise riesengroß. Im eBook ist (ebenso unerklärlich) diese Darstellung ohne Anpassung 1:1 übernommen, was das Beispiel zerreißt und zum Zurückblättern animieren dürfte, als zum leichten Erfassen.
Meine Empfehlung ist also: Nehmen sie auf jeden Fall das gedruckte Buch. Auch wenn der Inhalt eines eBooks nach Begriffen durchsuchbar ist, können manche Bilder ihre Wirkung nicht entfalten, da es lediglich die 1:1 Umsetzung des Printbuches ist.
Insgesamt überzeugt das Buch (fachlich), sodass ich 4 gute Sterne für die gedruckte Version vergeben kann. (Das eBook würde ich eher mit 3 Sternen bewerten)
Titel: Schrift. Wahl und Mischung
Autor: Kai Büschl, Oliver Linke
ISBN 978-3-8362-6171-5
Verlag: Rheinwerkverlag
Auflage: 1
Seiten: 399
Veröffentlichung: 2021
Sprache: Deutsch